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Climate Fair: Verantwortung übernehmen statt nur „Kompensieren“

Hauser mit Soalranlagen

Heidelberg. Umfragen zufolge sind wir in Deutschland, Österreich und der Schweiz sehr umweltbewusst.  Alle zwei Jahre fragt das Umweltbundesamt die Deutschen nach ihrer Einstellung zur Umwelt. „Rund zwei Drittel (64 Prozent) der Menschen in Deutschland schätzen Umwelt- und Klimaschutz als eine sehr wichtige Herausforderung ein, elf Prozent mehr als 2016“, heißt es in der Pressemitteilung des Umweltbundesamts zur letzten Befragung 2018.

97 Prozent empfinden den Plastikmüll in den Weltmeeren als bedrohlich, fast genauso viele die Abholzung von Wäldern. Jeweils 89 Prozent der Befragten halten das Artensterben in der Tier- und Pflanzenwelt sowie den Klimawandel für Risiken.

Doch im Alltag bleibt das Engagement schnell auf der Strecke. Mehr als zwei Drittel ihrer Wege legen die Deutschen mit dem Auto zurück – und wenn es nur zum Brötchen holen beim Bäcker um die Ecke ist. Der Anteil spritfressender SUV (Sports Utility Vehicles, also Geländewagen) wächst weiter und der Fleischkonsum (fast 60 Kilo pro Person im Jahr) sinkt kaum. Die Zahl der Flugpassagiere stieg bis zum Beginn der Corona-Pandemie Jahr für Jahr mit Zuwachsraten, von denen andere Wirtschaftszweige nur träumen.

Engagement endet bei der Bequemlichkeit

„Es ist leicht, zu finden, dass es insgesamt weniger Autos geben soll, aber andererseits dann doch mit dem Auto zu fahren, weil man gerade zu faul fürs Fahrrad ist. Umweltbewusstsein hört leider oft vor der eigenen Haustür und beim Blick ins eigene Portemonnaie auf“, bringt die Deutsche Welle das Problem auf den Punkt.

Wer weiter fliegt und Auto fährt, kann seine oder ihre Treibhausgasemissionen wenigsten „kompensieren“. CO2 Rechner im Internet ermitteln den Ausstoß eines Fluges oder einer Autofahrt. Zum „Ausgleich“ überweist man eine Spende an eine Organisation wie Atmosfair oder myclimate, die damit zum Beispiel energieffizientere Kochöfen für arme Familien in Afrika kauft. Die Empfänger müssen dann nicht mehr die letzten Bäume abholzen, um ihr Essen am offenen Feuer warm zu machen.

Problem: Die meisten Anbieter dieser „Kompensationen“ berechnen den Preis für eine Tonne CO2 nur mir 15 bis 25 Euro, obwohl das Bundesamt schon vor mehr als zwei Jahren den Schaden, den eine Tonne CO2 in der Atmosphäre anrichtet, auf mindestens 180 Euro veranschlagt hat. Hinzu kommt, dass niemand sicher sagen kann, wie lange die von den Kompensationszahlungen gekauften Öfen halten und ob die Leute sie wirklich benutzen.

„Wir verkaufen schlechtes Gewissen, kein gutes“

Deshalb verkauft Peter Kolbe von der Klimaschutz Plus Stiftung  in Heidelberg lieber ein schlechtes als ein gutes Gewissen.  Man könne seine Flüge und anderen klimaschädlichen Verhaltensweisen nicht „kompensieren“. Deutlich macht er das mit einem Vergleich: „Wenn ich Gift in einen Wald kippe, kann ich das doch nicht damit lösen, dass ein anderer das da irgendwann wieder herausholt und erst recht nicht, wenn der, der es herausholen soll, einen Dritten beauftragt, der sich damit Jahrzehnte Zeit lässt.“ Das sei die Logik der CO2 Kompensation.

Folgekosten unseres Wirtschaftens internalisieren

Kolbe will stattdessen, dass wir selbst die Verantwortung für unser Handeln übernehmen:  Dazu müssten wir die Folgekosten unseres Wirtschaftens bezahlen, sprich internalisieren. Die Preise der Produkte müssen die Umwelt-Folgekosten ihrer Herstellung und Nutzung beinhalten. Bio-Lebensmittel wären dann zum Beispiel kaum noch teurer als „konventionell“ Angebaute.

Aktuell produziert derjenige am Billigsten, der die Folgekosten seines Tuns nicht in seine Produktpreise einrechnet. Er wälzt diese externen Kosten auf die Allgemeinheit oder künftige Generationen ab. Wer die Umwelt belastet, ohne dafür zu bezahlen, verschafft sich so einen Wettbewerbsvorteil.

Allein die ökologischen Folgekosten unserer Landwirtschaft summieren sich nach einer Studie der UN-Welt-Ernährungsorganisation FAO weltweit auf etwa zwei Billionen US-Dollar  Hinzu kommen soziale Folgekosten zum Beispiel für die Behandlung von Menschen, die sich mit Pestiziden vergiftet haben. Nach Schätzung der Stiftung Soil and More aus den Niederlanden sterben jedes Jahr 20.000 bis 340.000 Farmarbeiter an Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel. 1 bis 5 Millionen erkranken daran.

Milliarden aus der Steuerkasse für die Zerstörung der Natur

Mehr noch. In vielen Fällen bezuschussen die Steuerzahler*innen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Allein der deutsche Staat bezuschusst jedes Jahr klimaschädliche fossile Technologien mit rund 57 Milliarden Euro . Hinzu kommen zum Beispiel die Milliarden für die konventionelle Landwirtschaft, die die Europäische Union kürzlich wieder frei gegeben hat. Fast 50 Milliarden Euro verteilt die EU „mit der Gießkanne“. 

Für jeden Hektar, den die Bauern bewirtschaften, bekommen sie 300 Euro pro Jahr, egal, was sie auf dem Land machen. Wer mit viel Chemie billig schnell wachsende Monokulturen anlegt, verdient am meisten.

Selbst Verantwortung übernehmen

Peter Kolbe von Klimaschutz Plus empfiehlt allen, die wirklich etwas für Umwelt- und Klimaschutz tun wollen, eine freiwillige CO2-Abgabe von 180 Euro je Tonne Kohlendioxid an Climate Fair. Wer nicht so viel bezahlen könne, sei auch mit einer kleineren Spende willkommen. Die Stiftung Klimaschutz Plus finanziert damit Solar- und Windkraftanlagen in Deutschland sowie Energiespar-Projekte. Diese werfen eine Rendite ab, die die Stiftung zusammen mit fünf Prozent Ihres Stiftungskapitals jährlich an einen Fonds überweist. Dieser finanziert Bürgerprojekte. Jedes Jahr bestimmen die Spenderinnen und Spender in Online-Abstimmungen selbst, was mit dem Geld für die lokalen Bürgerfonds passiert.

Kolbe, im Hauptberuf Energieberater beim Rhein-Neckar-Kreis, arbeitet wie alle anderen bei Klimaschutz Plus ehrenamtlich für die Stiftung. So halten alle Beteiligten den Verwaltungsaufwand gering. Die Einnahmen kommen fast vollständig im Klimaschutz an. Sie verdrängen Kohle, Gas und andere fossile Energieträger aus unserem Versorgungssystem.

Klimaschutz im Inland

Die Ergebnisse mehrere Umfragen bestärken Kolbe auch darin, in Klimaschutz in Deutschland zu investieren- obwohl es hier teurer ist als etwa in Afrika. In einer Studie des Umweltbundesamts zum Umweltbewusstsein gab die Mehrheit der Befragten 2017 an, dass sie sich vor allem Klimaschutz in Deutschland wünschen.

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Geschrieben von Robert B. Fishman

freier Autor, Journalist, Reporter (Radio und Printmedien), Fotograf, Workshop-Trainer, Moderator und Reiseleiter

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